Kultur

Ausstellung im Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale)

REFLECTIONS OF INDIA


Manfred Paul: o.T. (aus der Serie “Indien 1989“ (Quelle: 2017 Manfred Paul)
Thomas und William Daniell: Govinda Ram Mittee“™s
(Quelle: Kulturstiftung Sachsen-Anhalt )
GDN - Vom 24. Juli 2017-15. Oktober 2017 präsentiert das Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) unter dem Titel “Reflections of India“ Fotografien von Manfred Paul, Manjari Sharma und André Wagner und verfolgt damit einen internationalen, interdisziplinären und Epochen übergreifender Ansatz.

Zu allen Zeiten entwickelte sich die Kunst maßgeblich aus dem internationalen Austausch der Künstler unter- und miteinander und erfolgte künstlerische Erneuerung angeregt durch die Rezeption und Weiterentwicklung des andernorts Gesehenen, Gehörten, Erlebten oder Erfahrenen. Es sind vor allem die Künste, die grenzüberschreitend in jeder Hinsicht agieren: topografisch, geografisch, ästhetisch, religiös, interkulturell und wissenschaftlich. Insbesondere die Kunst der Moderne ist ohne dieses grenz-, genre- und disziplinübergreifende Verständnis nicht vorstellbar.
Indien ist die Wiege von Weltkulturen und -religionen, deren Weisheitslehren und religiöse Praktiken seit Jahrhunderten in das Abendland ausgestrahlt und immer wieder nach geistiger Befreiung und Erleuchtung Suchende angezogen haben. In der Ausstellung Reflections of India ist mit dem jungen Fotografen André Wagner (* 1980 in Burgstädt) ein Künstler vertreten, der von sich sagt, dass Indien, wo er sich seit 2004 immer wieder für längere Zeit aufhält, sein Denken und sein Sehen verändert hat.
Konzentriert auf die Kraft religiöser Traditionen, die Menschenmengen aus allen Schichten der Bevölkerung in Bewegung versetzen, hat er sich in den letzten Jahren verstärkt Pilgern und heiligen Orten zugewandt. Die in Halle präsentierten großformatigen Fototableaus übersetzen mit der modernsten fotografischen Technik und der Verwendung von Moment- und Langzeitaufnahme die der hinduistischen Religion innewohnende überzeitliche Dimension in das fotografische Bild und führen in eine Welt, in der sich Tradition und Gegenwart, Zeit und Raum überlagern.
Manfred Paul (* 1942 in Schraplau) reiste 1989 mit einer Gruppe von Künstlern aus der DDR nach Indien. Während der Reise, die durch die Gangesebene führte, unternahm er ohne Begleitung Ausflüge in kleinere Städte, in Vororte und in die ländliche Umgebung. Mit demselben für vergehende Momente sensibilisierten Blick, mit dem er in Berlin oder Dresden Lebensspuren und vergängliche Konstellationen alltäglicher Handlungen festhielt, nahm er in Indien die Menschen unabhängig von ihrem sozialen Status, alltägliches Leben, Situationen und Orte wahr und näherte sich ihnen in der ihm eigenen unaufdringlichen Weise.
Manfred Paul: o. T. (aus der Serie “Indien 1989“)
Quelle: 2017 Manfred Paul
Das farbenfrohe Indien wird in Pauls Fotografien zu einer “Begegnung mit dem Leben, mit einer Urform des Menschseins“, die ihn nach eigener Aussage erschütterte und ihn sensibilisierte “für das Verschwinden des Augenblicklichen“. Mit seiner Kamera stellte der Fotograf eine intuitive und persönliche Verbindung zu dem Unbekannten dieses ihm fremdartigen Daseins her. Die Abzüge, die nach mehr als zwanzig Jahren anlässlich des halleschen Ausstellungsprojektes entstanden und im Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) zum ersten Mal präsentiert werden, verleihen den präzise komponierten Fotografien Bedeutung und Gültigkeit.
Sie werden zu kostbaren Augenblicken im Fluss der Zeit und schlagen eine Brücke zwischen den so unterschiedlichen Welten. Zwischen den Aufnahmen der beiden Fotografen aus Deutschland liegen zwanzig Jahre und der fundamentale Wechsel von der Schwarzweiß- zur Farbfotografie, von der analogen zur digitalen Fotografie, ein Wechsel, der auch die Verbreitung neuer Technologien überall in der Welt assoziiert.
Die in Indien gebürtige und in ihrer Jugend nach New York übergesiedelte Fotografin Manjari Sharma (* 1979 in Mumbay) holt mit den inszenierten Bildern populärer hinduistischer Gottheiten das ihr im Inneren vertraute Lebensgefühl ihrer Heimat in eine sich global orientierende westliche Kultur. Der Titel ihrer in der Ausstellung gezeigten Foto-Serie Darshan ist ein vielschichtiger Begriff: Er kann sowohl die Begegnung zwischen Personen mit positiver Auswirkung meinen als auch eine segensreiche Versenkung in die Anschauung einer Gottheit oder ihrer Abbilder.
Manjari Sharma: Lord Vishnu
Quelle: 2017 Manjari Sharma
Die seit 2001 in New York lebende Künstlerin setzt sich in ihrer “Re-Kreation“ mit ihrer Erinnerung an die Bildwelten ihres Herkunftslandes auseinander und zitiert dabei sowohl die traditionelle, auf den mythischen Erzählungen beruhende, wie auch die populäre Bild-Ästhetik von Film- und Medienbildern im modernen Indien. Sharmas Foto-Serie verweist auf die vielgestaltige, erzählfreudige und lebendige Frömmigkeit Indiens und setzt sich mit dem im Hinduismus herrschenden Glauben an die Gegenwart des Göttlichen im Bild auseinander.
Begleitend zu den fotografischen Reflektionen auf und aus Indien und in die Ausstellung einführend steht eine Reihe von Darstellungen indischer Landschaften, Heiligtümer und Monumente, die Ende des 18. Jahrhunderts von englischen Malern im Auftrag der East-India-Company, der Vertreterin der britischen Kolonialmacht, als Aquarelle entstanden. Um 1800 fanden sie in der fünfbändigen Serie Oriental Series als druckgrafische Reproduktionen weite Verbreitung und prägten lange Zeit das europäische Bild von Indien.
Aus den ersten Jahren des 1885 als Städtisches Museum für Kunst und Kunstgewerbe gegründeten Kunstmuseums Moritzburg Halle (Saale) stammen die Erwerbungen der Riebeck'schen Sammlung (1889) mit Gebrauchs- und Luxusgegenständen aus China, Japan, Vorder- und Hinterindien, aber auch Persien, Griechenland, Ägypten Palästina und dem Kaukasus wie z.B. Textilien, Keramiken und Porzellanen, wovon sich heute noch 300 Objekte im Bestand des Museums befinden. Aus dieser Sammlung wird im Foyer des zweiten Obergeschosses vom 21.07.2017 bis 15.10.2017 als Besonderes Kunstwerk ein indisches Sandelholzbrett gezeigt.
Indische Artefakte und Schmuck aus der privaten Sammlung eines versierten Indien-Kenners werden begleitend zu den fotografischen Reflektionen im zweiten Obergeschoss des Nordflügels gezeigt. Für die Verbreitung des Buddhismus in der ganzen asiatischen Welt ausgehend von Indien steht in der Ausstellung eine Gruppe von Buddhas und Heiligen aus dem 17. und 18. Jahrhundert von höchster Qualität aus einer privaten Sammlung. Sie entstanden zumeist im Umfeld der chinesischen Mandschu-Kaiser. In ihrer Mitte thront ein Buddha Amitayus (Buddha des unermesslichen Lebens), der durch die Bodenreform in das Museum gelangte und nun erstmals präsentiert wird.
Für das Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) ist ein internationaler, interdisziplinärer und Epochen übergreifender Ansatz, wie er mit der Ausstellung Reflections of India verfolgt wird, seit jeher konstituierend. Vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen in Europa und den damit verbundenen Herausforderungen an die Gesellschaft vermag die Kunst mit den ihr eigenen Mitteln ihren Teil dazu beitragen, zwischen unterschiedlichen Lebenswelten zu vermitteln und zum gedanklichen Austausch und zur Diskussion anzuregen.
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